Verh. Bot. Ver. Berlin Brandenburg 135: 255-263, Berlin 2002 (liegt auch als PDF-Dokument vor - ohne Bilder)
Im Jahr 1951 wurde im heutigen Landkreis Märkisch-Oderland ein Landschaftsausschnitt unter Naturschutz gestellt, der unter Naturfreunden und Botanikern zunächst als „Lilienconvallien-Wälle”, später als „Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal” schon lange ein Begriff für reichhaltige Pflanzenwelt und faunistische Vielfalt ist. Auf Anregung von H. Schlüter, der maßgeblich mit seinen botanischen Untersuchungen zur Unterschutzstellung beigetragen hatte, organisierten dem Gebiet verbundene Mitglieder des NABU Regionalverbandes Strausberg-Märkische Schweiz und des Botanischen Vereins von Berlin und Brandenburg das Festkolloquium „50 Jahre NSG Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal”, das am 19. und 20. Mai 2001 stattfand. Am ersten Tag wurden den zahlreich erschienenen Naturfreunden ein Vortragsprogramm und eine Kurzexkursion, am zweiten eine botanische und ornithologische Exkursion in das Schutzgebiet angeboten.
Als Veranstaltungsort für das Vortragsprogramm diente die Aula der Gesamtschule Hennickendorf, die nur wenige hundert Meter vom südlichen Rand der Lange-Damm-Wiesen entfernt liegt. Frühzeitig eingetroffene Teilnehmer konnten bereits vor Beginn der Vorträge im Vorraum der Aula in zahlreiche Publikationen und Karten über das Gebiet „Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal” Einblick nehmen. Unter anderem waren die Vegetationskarten von 1954 und 1992 aufgehängt und die dazu gehörigen Arbeiten (Schlüter 1955, Meissner 1993) ausgelegt. Eine Bibliographie zum NSG „Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal” ist 1992 in den Verhandlungen des Botanischen Vereins erschienen (Stage 1992) und kann in einer fortgeschriebenen Fassung im Internet (www.Lange-Damm-Wiesen.de) eingesehen werden.
Begrüßung und Moderation des Vortragsprogramms übernahm dankenswerterweise H. Sukopp. In der gut gefüllten Aula wies er zunächst auf die weit zurückreichende Verbundenheit des Botanischen Vereins mit dem Gebiet und die gegenwärtigen Aktivitäten des Naturschutzbundes hin. Nach einem kurzen Überblick über das Programm übergab er dem ersten Referenten das Wort.
H. Schlüter berichtete in seinem eindrucksvoll bebilderten Vortrag über „Die reiche Pflanzenwelt der Lange-Damm-Wiesen und des Unteren Annatales als Grundlage für die Ausweisung als NSG”. Den Rückblick auf den Beginn der botanischen Erforschung im 19. Jahrhundert, die Vorstellung der vielfältigen Lebensräume im Gebiet sowie den Bericht über die floristische Inventarisierung um 1950 illustrierte Schlüter u. a. mit Bildern von seltenen Pflanzenarten, die er damals hier fotografierte und die heute ausgestorben bzw. verschollen sind (z. B. Aquilegia vulgaris, Gymnadenia conopsea subsp. densiflora, Pulsatilla pratensis, Pinguicula vulgaris, Liparis loeselii, Pedicularis palustris, Eriophorum gracile und Laserpitium prutenicum). Von Saxifraga hirculus, die zur Zeit seiner Untersuchungen bereits lange im Gebiet verschollen war (letzter Nachweis um 1850), zeigte Schlüter ein Bild, das er 1993 in Alaska aufnehmen konnte. Es wurden auch zahlreiche Bilder von bemerkenswerten Arten präsentiert, die weiterhin im Gebiet vorhanden sind, deren Fundorte aber z. T. auf den Kolloquiums-Exkursionen wegen der Gefährdungssituation nicht aufgesucht werden konnten (z. B. Botrychium lunaria, Carex dioica, Epipactis palustris, Orchis militaris, Trifolium rubens).
Zur Geschichte der Unterschutzstellung der „Lange-Damm-Wiesen und des Unteren Annatals” erläuterte Schlüter, dass diese von Prof. H. Reimers initiiert wurde. Reimers suchte seit 1930 das Gebiet wegen des Reichtums an Pflanzenarten und der großen Standorts- und Vegetationsvielfalt regelmäßig auf und veranlasste Ende der 40er Jahre die floristische Inventarisierung durch H. Schlüter. Durch Reimers wurde Kurt Kretschmann, Kreisstelle für Landespflege und Naturschutz Bad Freienwalde, über den Wert des Gebietes informiert (bis dahin waren über 600 Farn- und Blütenpflanzenarten erfasst worden, vgl. Schlüter 1951, 1954). Nach dreitägiger Ortsbesichtigung und wenig ergiebigen Gesprächen mit vielen Landbesitzern wurde durch K. Kretschmann namens der Kreisstelle für Landespflege und Naturschutz mit Wirkung zum 03.04.1951 die Schutzgebiets-Verordnung in Kraft gesetzt. Rückschläge erlitt das junge Schutzgebiet bereits 1954 durch militärische Nutzungen (z. B. Eingriffe am Südhang von Hügel I durch Schützengräben, Umwandlung der Kiesgrube in einen Schießstand, Eingriffe im Annatal durch militärisch bedingte Bebauung, Gewässerbegradigung und Abwassereinleitung). Ergebnis der militärischen Nutzungsansprüche war, dass im November 1954 das bisher gebietsumfassende Naturschutzgebiet auf drei kleine, botanisch besonders wertvolle Kerngebiete in den Lange-Damm-Wiesen reduziert werden musste. Weitere negative Auswirkungen ergaben sich nach 1960 durch Veränderungen in der Landwirtschaft (Auflassung der sehr nassen Wiesen, intensivere Nutzung auf den anderen Wiesen). Seit 1980 werden im Gebiet gezielte Pflegemaßnahmen durchgeführt, die in den letzten 10 Jahren erheblich ausgeweitet werden konnten. Schlüter wies mit Nachdruck auf deren Notwendigkeit für die Erhaltung der Artenvielfalt hin (vgl. Schlüter 1992). Er schloss seinen Vortrag mit einem Gedenken an Hermann Reimers anlässlich dessen 40. Todestages sowie einem Dank an K. Kretschmann und alle später im oder für das Naturschutzgebiet tätigen Naturschützer.
Im Anschluss an den Vortrag ergänzte Kurt Kretschmann, der trotz seines hohen Alters und angeschlagener Gesundheit zeitweise am Festkolloquium teilnahm, die Ausführungen zu den Umständen der Schutzgebietsausweisung und berichtete weiterführend über die Naturschutzarbeit im Landkreis um 1950.
Anschließend stellte J. Meissner die „Auswirkungen von Brache auf artenreiche Wiesenvegetation am Beispiel der Lange-Damm-Wiesen” dar. Nach einer Übersicht über die Standortverhältnisse schilderte er zunächst die von Schlüter aufgenommenen Vegetationsverhältnisse in den Wiesen um 1952, als nahezu die gesamte vermoorte Niederung noch traditionell gemäht und überwiegend von Kohldistelwiesen, stellenweise auch von Kleinseggenrasen, Pfeifengraswiesen, Glatthaferwiesen und Trockenwiesen eingenommen wurde. Um 1992 wurden insgesamt weniger als 20 % der ehemaligen Wiesen gemäht, teilweise nur unregelmäßig. Kleinseggenrasen und Pfeifengraswiesen waren nahezu vollständig verschwunden, nur noch ca. 11 % der Kohldistelwiesen vorhanden. Auf den ungenutzten Flächen haben sich Großseggen- und Röhrichtbestände, nitrophile Dominanzbestände, Molinietalia-Brachegesellschaften, Trockenwiesenbrachen, Flachmoorgebüsche und grundwassernahe Laubmischwälder ausgebreitet. Meissner veranschaulichte die flächigen Veränderungen mit Hilfe von farbigen Vegetationskarten. Er erläuterte die Auswirkungen auf Artenzusammensetzung und –vielfalt, die Veränderungen der Zeigerwerte sowie die Sukzessionstrends in der Wiesenvegetation (vgl. Meissner 1992). Nach Hervorheben der brachebedingten Gefährdungssituation für zahlreiche Pflanzenarten wies Meissner auf erste zuversichtlich stimmende Ergebnisse der zunächst kleinflächigen, seit 1996 großflächigen Pflegemaßnahmen hin.
Daran anknüpfend berichtete G. Haase über „Landschaftspflege in den Lange-Damm-Wiesen”. Seit 1980 wird ein Hangsteppenrasen und seit 1987 ein Kleinseggenrasen durch ehrenamtliche Naturschützer gepflegt. 1994 und 1995 wurde mit Geldern des MUNR* eine Initialpflege auf ca. 15 ha Wiesenbrache durchgeführt. Seit 1996 erfolgt auf ca. 150 ha Niederungsfläche Landschaftspflege (Mahd) mit Geldern des KULAP-Programms (Kulturlandschaftsprogramm) und des MUNR/MLUR*. Begleitet werden die Pflegemaßnahmen von einer jährlichen Effizienzkontrolle, bei der vor allem die Bestandsentwicklung von in Brandenburg stark gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten erfasst wird. Bei allen auf den Pflegeflächen vorkommenden Rote-Liste-1-Arten und auch bei der Mehrzahl der Rote-Liste-2-Arten ist eine positive Bestandsentwicklung zu verzeichnen. Auf zwei Transekten werden außerdem die Artenzahlen der Farn- und Blütenpflanzen ermittelt. Auf dem ersten Transekt wuchs die Artenzahl von 27 im Jahr 1996 auf 49 im Jahr 1999, auf dem zweiten Transekt von 20 auf 44. Neben der Verdoppelung der Artenzahlen ist auf den Transekten auch eine qualitative Veränderung von Brachegesellschaften zu Kohldistel- und Pfeifengraswiesen zu erkennen. Eine Karte der Verbreitung gefährdeter Flachmoorarten im NSG zeigt, dass diese die letzten Jahrzehnte vorrangig in den Quellbereichen und nahe dem Stienitzsee überlebt haben. Am Beispiel der Populationsentwicklung von 3 Orchideenarten (Epipactis palustris, Dactylorhiza incarnata, D. majalis) auf dem seit 1987 wieder gemähten Kleinseggenrasen demonstrierte G. Haase die Bedeutung einer über Jahre hinweg kontinuierlichen Mahd. Eine deutliche und stabile Zunahme stellte sich erst nach 5–6 Jahren ein. Ähnliches ist auch bei Polygala amarella und Carex dioica zu beobachten. Nach einem Einblick in organisatorische und praktische Fragen der Landschaftspflege gab G. Haase zum Schluss einen Ausblick auf ein Weideprojekt mit Heckrindern im NSG, das am 22.05.2001 mit den ersten Tieren startete.
Nach der Mittagspause erläuterte N. Wedl Ergebnisse seiner „Systematischen vegetationskundlichen Untersuchungen an Transekten auf Feuchtwiesen im NSG von 1996-2000”. Einführend begründete Wedl seine Kritik gegenüber der üblichen vegetationskundlichen Methodik. Er arbeitet stattdessen grundsätzlich an Transekten mit fest eingemessenen Aufnahmeflächen, die entsprechend der konkreten Standortsituation eingerichtet werden. Die verfeinerte Schätzskala der Artmächtigkeit nach Braun-Blanquet ergänzte er um eine Kategorie „Subvitalität und fehlende Blühfähigkeit” der Individuen einer Art. Um seine Untersuchungsmethodik zu erläutern, wählte Wedl das Beispiel eines Kleinseggenrasens auf einem kuppigen Quellhorizont (40 m x 50 m). Anhand von Vegetationstabellen und schematischen Darstellungen beschrieb er die kleinräumige Abfolge von Pflanzengemeinschaften (Kohldistel-, Pfeifengras-, Kalk-Kleinseggen-Gesellschaft, Gesellschaft der Armblütigen Sumpfsimse) entlang von Gradienten entsprechend der Hydrologie, der Morphologie und des Nährstoffstatus. Des Weiteren stellte Wedl Veränderungen der Vegetation auf ehemaligen Feuchtwiesenbrachen aufgrund von Landschaftspflegemaßnahmen über einen Zeitraum von 4 Jahren dar und nannte die Erfolge. Abschließend vertrat er die Auffassung, dass seine Arbeitsmethode gut geeignet sei, um Veränderungen kurzfristig nachzuweisen, kleinstandörtliche Unterschiede abzugrenzen und Pflanzengesellschaften zu charakterisieren. Die Ergebnisse seien verifizierbar und eine Basis für zukünftiges Monitoring.
Angesichts der weit fortgeschrittenen Zeit fasste sich G. Haase in seinem Bericht über „Charakteristisches zur Vogelwelt des NSG” sehr kurz. Im NSG sind 132 Vogelarten nachgewiesen, davon 100 Brutvogelarten. Haase wies auf einige typische Brutvogelarten, z. B. Bekassine, und Durchzügler/Wintergäste, z. B. Seidenschwanz, hin. Außerdem erläuterte er kurz die Ergebnisse einer 7jährigen Brutvogelsiedlungsdichteuntersuchung von J. Stage und G. Haase.
In der abschließenden Diskussion herrschte Einigkeit über die Notwendigkeit von Landschaftspflege, um die Artenvielfalt im Schutzgebiet auch weiterhin zu erhalten. Außerdem kam von Hennickendorfer Bürgern die Anregung, möglichst die ortsansässige Jugend verstärkt für Naturbeobachtung und Landschaftspflege zu interessieren, z. B. über gemeinsame Aktivitäten der Naturschutzvereine mit den Schulen.
Die Kurzexkursion führte zunächst zum Hof von Jörn Haase, der die großflächige Landschaftspflege im Gebiet durchführt. Hier wurden verschiedene Arbeitsgeräte zur Landschaftspflege vorgestellt. Als Oldtimer waren ein Lanz-Bulldog von 1936 und ein Krupp Grasmäher mit Messerbalken von 1938 vertreten. Die derzeit vor allem eingesetzte Technik zur Mahd besteht aus einem Traktor Zetor mit spezieller Terra-Bereifung (hinten 1,15 m, vorn 0,90 m Reifenbreite zur Minimierung des Bodendrucks) und einem Tellermähwerk (3,10 m Arbeitsbreite) mit Wildschutz und Sensorabtastung. Bei schwierigen Verhältnissen, vor allem bei zu erwartender Fremdkörpereinwirkung auf das Mähwerk, kann ein robuster Rotormulcher (3 m Arbeitsbreite) eingesetzt werden. Außerdem wurden ein Heuwender (6 m Arbeitsbreite), ein Schwader (um das Heu auf Schwad [in Reihe] zu legen), eine Rundballenpresse mit Zwillingsbereifung und ein Sammelwagen gezeigt. Anhand der Arbeitsgeräte berichtete J. Haase anschaulich über die praktischen Schwierigkeiten bei der Mahd auf Niedermoorstandorten, insbesondere bei der Initialpflege nach längerer Brache. Er wies zudem auf die hohen Investitionskosten für die Spezialgeräte hin, die eine großflächige und möglichst moorschonende Mahd erst ermöglichen.
Die Besteigung des Hennickendorfer Wachtelbergturms, der 1938 errichtet worden ist, bot den Teilnehmern einen weiten Ausblick über die Lange-Damm-Wiesen, den großen Stienitzsee und den Kleinen Stienitzsee. Anschließend wurde die Gruppe zum Ufer des großen Stienitzsees in den Bereich des ehemaligen Seegrundes geführt. Durch eine Seespiegelabsenkung um ca. 2,5 m im Jahr 1858 entstand hier Neuland, auf dem eine bemerkenswerte Sukzession ablief (vgl. Schlüter 1992). Der Weg führte an einer durchgehend genutzten Orchideenwiese, an seit einigen Jahren gepflegten Nasswiesen, an Verbuschungsstadien und am Erlenbruch als bisheriges Endstadium der Sukzession vorbei. Mit diesen vielfältigen Eindrücken endete der erste Kolloquiumstag.
Am Sonntag trafen sich die Kolloquiumsteilnehmer um 10.00 Uhr am S-Bahnhof Strausberg. Die Exkursion unter Leitung von H. Schlüter, G. Haase und J. Meissner begann mit einer zügigen Wanderung durch einen kleinen Teil des Annatals und durch die Mittelheide. Das u. a. aufgrund seiner Hangwälder und Moosflora botanisch interessante Annatal wurde diesmal nicht näher betrachtet, da bei dieser Exkursion die Niedermoorwiesen mit der Pflegeproblematik und die Os-Hügel mit ihrer Frühlingsflora im Mittelpunkt stehen sollten.
Westlich von Hügel I erreichte die Gruppe den Rand der Lange-Damm-Wiesen und ging zunächst ein kurzes Stück am Rand der Wiesen durch lichten Hangwald weiter nach Süden. In Säumen am Wegesrand wurden die ersten Exemplare von Vincetoxicum hirundinaria, Melampyrum nemorosum, Silene nutans und Peucedanum oreoselinum entdeckt. Am Abzweig des Weges zu den Os-Hügeln bot sich ein weiter Blick über die offene, mit Weiden und Birken durchsetzte Wiesenlandschaft. Auffallend war der starke Befall dieser Gehölze mit Viscum album.
Der erste Halt erfolgte am Südhang des Hügels I, dem südlichsten der Os-Hügel. Über die bemerkenswerte Flora dieses Hügels berichtete bereits Schweinfurth (1862). Schlüter (1955) nahm hier eine Salvia pratensis-Stachys recta-Gesellschaft und ein „schwarzerdeähnliches” Bodenprofil auf. 1954 wurde die „Hangsteppe” durch die Anlage von Schützengräben stark geschädigt. Die letzten der hier früher zahlreich vorkommenden Pulsatilla pratensis wurden um 1977 beobachtet. Nachdem Anfang der 1980er Jahre eine starke Vergrasung mit Arrhenatherum elatius und Bromus inermis, eine zunehmende Verbuschung sowie eine erschreckende Ruderalisierung und Abnahme der Trockenrasenarten beobachtet wurden, begannen Naturschützer mit Pflegemaßnahmen auf dem Hang. Dadurch erholte sich die Vegetation in den letzten 20 Jahren, und so bekamen die Exkursionsteilnehmer die meisten von Schweinfurth und Schlüter genannten Arten zu Gesicht, z. B. Salvia pratensis, Stachys recta, Vincetoxicum hirundinaria, Carex caryophyllea, Thalictrum minus, Veronica prostrata, Peucedanum oreoselinum und Phleum phleoides. Nur Pulsatilla pratensis bleibt weiterhin verschollen.
Der Weg führte dann durch den bewaldeten Teil von Hügel I, der sich durch einen bunten Frühjahrsaspekt mit Hepatica nobilis, Anemone ranunculoides, Primula veris, Pulmonaria obscura und Stellaria holostea auszeichnet. An den unteren Hangbereichen, zwischen Weg und Wiesen, beeindruckten mächtige Haselsträucher die Exkursionsteilnehmer.
Zwischen Hügel I und IV wurde ein Blick in die Feuchtwiesen geworfen. In Nachbarschaft zu Wiesen, die überwiegend als Carex acutiformis-Bestände in den 80ern und Anfang der 90er Jahre brach lagen und seit Mitte der 90er Jahre gepflegt werden, finden sich auch nahezu kontinuierlich bewirtschaftete Kohldistelwiesen (Polygono-Cirsietum). Neben Bistorta officinalis und Cirsium oleraceum sind in diesen artenreichen Beständen u. a. Carex nigra, C. panicea, C. acutiformis, Crepis paludosa, Geum rivale, Helictotrichon pubescens, Briza media, Ophioglossum vulgatum, Leontodon hispidus, Listera ovata und Luzula campestris vertreten. Dactylorhiza majalis war dieses Jahr nur sehr spärlich vorhanden und konnte daher nicht gezeigt werden. Von den Rändern in die Wiesen einwanderndes Phragmites australis verdeutlicht die Notwendigkeit der Mahd für die Erhaltung derartiger Feuchtwiesen.
An diesem Exkursionspunkt gab J. Meissner Erläuterungen zum Niedermoor. 1947 wurde anlässlich eines beabsichtigten Torfabbaus ein Gutachten über das Torfvorkommen auf einer Fläche von ca. 10 ha im Bereich der Hügel III-V erstellt (Engelhardt 1947). Es zeigte sich, dass das Relief des Untergrunds sehr bewegt ist und sich die Torfmächtigkeit auf kleinstem Raum ändert. Stellenweise wurde eine Torfmächtigkeit von über 5 m und das Vorhandensein von einer Mergelschicht (Kalkgehalt bis 66 % d. Trockensubstanz) festgestellt. Nachdem das Torfvorkommen zunächst als abbauwürdig eingestuft und der Abbau mit bis zu 40 Arbeitskräften begonnen wurde, stellte sich heraus, dass der Torf für Brennzwecke und somit für gewerblichen Großabbau ungeeignet war. 1949 wurde der Abbau eingestellt; heute zeugt ein ca. 0,7 ha großer, mit Weidengebüsch zugewachsener Torfstich davon. 1993 wurden in etwa 50-70 m Entfernung vom Exkursionspunkt in Bereichen mit starker Torfmächtigkeit zwei Wiederholungsbohrungen (Bohrpunkte 5 u. 17 bei Engelhardt 1947) durchgeführt. Profil 5 wurde als eu- bis mesotrophes Hangquellmoor angesprochen mit wechselnder Wasser- und Kalkzufuhr, durch die innerhalb des groben Radizellentorfes kalkhaltige Abschnitte zu finden sind. Zwischen 5,20 und 6,35 m u. G. zeugt Detritus- und Algenmudde über Sand vom frühpostglazialen Stadium eines offenen Gewässers. Profil 17 (Bohrtiefe bis 7,50 m) deutet auf ein eutrophes Hangquellmoor/Verlandungsmoor mit frühpostglazialem Stadium eines offenen Gewässers hin (Brande schriftl. Mitt.).
Anschließend wurde der bewaldete Hügel V aufgesucht, wo wiederum die Frühlingsflora im Mittelpunkt des Interesses stand. Als Besonderheiten konnten u. a. Corydalis cava, Galium odoratum, Lathyrus vernus und Viola mirabilis, aber auch das seltene Thalictrum minus subsp. majus gezeigt werden. Hier stockt außerdem Sorbus torminalis, der Ende der 1930er Jahre von Reimers entdeckt wurde. Um 1950 war nur noch etwas Jungwuchs vorhanden, da in den 40er Jahren das einzige Exemplar im Baumholzalter gefällt worden war. Heute ist wieder eine Elsbeere in die Baumschicht aufgewachsen mit Jungwuchs in der Kraut- und Strauchschicht.
Der weitere Weg führte zur Südspitze von Hügel IV. Hier hatte Schlüter (1955) eine „Galium boreale-Stachys (= Betonica) officinalis-Trockenwiese (Halbtrockenrasen)” aufgenommen, die er provisorisch benannte und zur Klasse Festuco-Brometea stellte. Um 1990 war aufgrund von Brache ein Teil der Trockenwiese mit Prunus spinosa verbuscht, der andere Teil wurde von Calamagrostis epigejos und Brachypodium pinnatum dominiert. Betonica officinalis konnte sich zwar stellenweise noch behaupten, zahlreiche Festuco-Brometea-Arten und von Schlüter genannte Trennarten waren aber verschwunden (vgl. Meissner 1992, 1993). Nach Entbuschung und regelmäßiger Mahd seit Mitte der 90er Jahre ist deutlich eine Abnahme der Vergrasung und eine Zunahme von Betonica officinalis zu erkennen. Die Exkursionsteilnehmer konnten Primula veris in Blüte auf der Trockenwiese beobachten, der Blühaspekt von Betonica officinalis ist erst im Sommer zu erwarten. Nach vergeblicher Suche nach Trifolium montanum, dessen historischer Fundort hier lag, wurde der Weg über den überwiegend mit Buchen bestockten Hügel III (mit Dentaria bulbifera) zum Westrand der Niederung fortgesetzt, wo eine verspätete Mittagsrast eingelegt wurde.
Ausgeruht wurde zügig nach Norden zur Bahnstrecke gewandert, um auf dem Bahndamm die Niederung zu queren. An deren Ostrand wurde zunächst ein Wiesenbereich aufgesucht, der um 1950 als Carex dioica-Pfeifengras-Wiese kartiert worden war. Trotz Brache seit etwa Mitte der 50er Jahre hat sich hier ein artenreicher Bestand – mit vielen Kleinseggen – gehalten; Carex dioica ist jedoch an dieser Stelle verschollen. An den Randbereichen wurde Mitte der 90er Jahre Populus tremula-Aufwuchs entfernt, und seitdem wird die Fläche gepflegt. Die Exkursionsteilnehmer konnten u. a. Bistorta officinalis, Carex cespitosa, C. nigra, C. panicea, Cirsium oleraceum, C. palustre, Crepis paludosa, Dactylorhiza majalis, Galium boreale, Geum rivale, Molinia caerulea, Ophioglossum vulgatum, Primula veris, Selinum carvifolia und Valeriana dioica beobachten. Am angrenzenden Waldrand wuchs Hepatica nobilis.
Als letzter Exkursionspunkt wurden die relativ niedrigen Hügel VII und VIII aufgesucht. Hier liegen Niedermoorwiesen, Halbtrockenrasen und thermophile Laubmischwälder unmittelbar nebeneinander und vermitteln noch das Bild eines Landschaftsparks, welches im Bereich der anderen Hügel durch die Verbuschung der letzten 50 Jahre größtenteils zerstört ist. Insbesondere die Übergangsbereiche an den Hügelrändern sind floristisch von Bedeutung. Ihre Verbuschung führte zum Verlust einiger sehr seltener Arten im Gebiet, z. B. von Aquilegia vulgaris.
G. Haase erläuterte, wie durch gezielte Pflegemaßnahmen die einsetzende Verbuschung an diesen beiden Hügeln beseitigt wurde und wie nun u. a. durch den Einsatz von Schafen die Hügelränder von Gehölzaufwuchs frei gehalten werden. Dadurch wird auch der lichte und thermophile Charakter der Waldbestände auf den Hügeln gesichert. So kommen heute auf und an diesen Hügeln weiterhin u. a. Geranium sanguineum, Lilium martagon, Peucedanum cervaria, Phyteuma spicatum, Potentilla alba, Thalictrum minus subsp. majus und Trifolium rubens vor. Die Fundorte einiger dieser Arten konnten den Exkursionsteilnehmern aber aufgrund der kleinen Populationen und ihrer Gefährdung nicht gezeigt werden. Dafür präsentierte G. Haase als Beispiel für Endozoochorie (Verdauungsausbreitung von Samen) auf einem Holzzaun keimende Misteln. Der Samen war mit dem Kot von Seidenschwänzen, die sich im Winter im Gebiet aufhielten und die Beeren der zahlreich vorhandenen Misteln verzehrten, auf den Zaun gelangt.
Zum Abschluss der Exkursion wurden den Teilnehmern die Möglichkeiten aufgezeigt, wie sie entweder auf direktem Wege zum S-Bahnhof Strausberg gelangen oder – bei noch ausreichenden Kraftreserven – um die Lange-Damm-Wiesen herum und anschließend durchs Annatal zurück zum S-Bahnhof wandern könnten.
Verfasser:
Justus Meißner und Gerd Haase
Dieser Beitrag ist auch in den Verhandlungen des Botanischen Vereins von Berlin und Brandenburg 135: 255-263, Berlin 2002 erschienen. Der Bezug der Verhandlungen ist über den Botanischen Verein von Berlin und Brandenburg (siehe Link) möglich.
*
MUNR – Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg; ↑
MLUR – Ministerium f. Landwirtschaft, Umweltschutz u. Raumordnung d. Landes Brandenburg.
Fotos: Wolfgang Haase
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