Flora und Vegetation des NSG Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal

Das Gebiet der Lange-Damm-Wiesen und des Unteren Annatals umfasst Teile eines subglazialen Rinnen­systems im Bereich der Barnim­platte (Quell- und Flachmoor, ehemaliger Seegrund) und die umgebenden Hochflächen (von Sand überschütteter Geschiebe­mergel/-lehm). Als Besonder­heiten sind in dem Rinnental die Oser, am Rande des Tales zahlreiche Quellen und im Bereich der Hochfläche das Erosionstal des Becker­fließes (Annatal) anzutreffen.

Die Standort­vielfalt in Verbindung mit der historischen Landnutzung führte zu einer ausge­sprochen vielfältigen Flora und Vegetation im Gebiet. Während der ersten Phase der botanischen Erforschung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dokumen­tierten die Botaniker vor allem die bemerkens­werten bzw. weniger verbreiteten Arten. Umfassende floristische und vegetations­kundliche Untersuchungen der Lange-Damm-Wiesen und des Unteren Annatals wurden 1950-1955 von Schlüter (z. B. 1951, 1954/55, 1955a) und 1991-1993 von Meissner (1992, 1993) durch­geführt. Die folgenden Ausführungen stützen sich im wesent­lichen auf diese Unter­suchungen. Wichtige Beobachtungen der letzten acht Jahre (Neu-/Wiederfunde) werden ergänzend erwähnt. Eine Veröffent­lichung zum aktuellen Stand der Flora ist in Vorbereitung.

Flora

Die Liste der bis 1993 im Gebiet „Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal” auf einer Fläche von knapp 350 ha nach­gewiesenen Farn- und Blüten­pflanzen umfasst insgesamt 750 Arten. 11 Arten, die im 19. Jahrhundert beobachtet wurden, konnten schon um 1950 nicht mehr bestätigt werden. Von den 642 Arten, die Anfang der fünfziger Jahre notiert wurden, konnten um 1993 89 Arten nicht wieder gefunden werden. Dem stehen aber in der Zeit zwischen 1955 und 1993 Neufunde von 97 Arten gegenüber, so dass Anfang der neunziger Jahre 650 Arten im Gebiet nach­gewiesen werden konnten (Meissner 1993). Inzwischen (bis 2001) konnten 24 Arten, die 1993 nicht bestätigt wurden, wieder gefunden werden. Außerdem wurden ungefähr 20 Arten neu nach­gewiesen (die Überprüfung einiger kritischer Sippen steht noch aus). Die Gesamt­artenzahl für das Gebiet beträgt demnach insgesamt ca. 770 Arten, von denen ca. 695 Arten in den letzten zehn Jahren beobachtet wurden.

Ein hoher Anteil der nach­gewiesenen Arten ist regional oder über­regional im Bestand gefährdet. 1993 ergab die Auswertung der Artenliste nach den damals relevanten Roten Listen von Brandenburg (Benkert & Klemm 1993), Berlin (West) (Böcker et al. 1991), der ehemaligen DDR (Rauschert 1978) und der alten Bundesländer (Korneck & Sukopp 1988), dass insgesamt 268 Arten in mindestens einer Roten Liste als gefährdet verzeichnet sind. 173 Arten der Gebietsliste waren in der Roten Liste von Brandenburg mit einem Gefährdungs­grad verzeichnet. 50 dieser Arten konnten 1987 bis 1993 im Gebiet nicht bestätigt werden. Die Wiederfunde nach 1993 umfassen 8 Arten und die Neufunde 6 Arten, die in der Roten Liste Brandenburg verzeichnet sind. Somit wurden in den letzten 10 Jahren 137 Arten der Roten Liste Brandenburg im Gebiet beobachtet.

Einen sehr hohe Bedeutung als Lebensraum für gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Arten haben im Gebiet oligotrophe Moore und Moorwälder, Nass- und Feucht­wiesen auf Niedermoor, Trocken- und Halbtrocken­rasen, xerotherme Stauden- und Gehölz­vegetation sowie mesophile Laubwälder. Im folgenden soll eine Auswahl bemerkenswerter Arten dieser Lebensräume genannt werden, die aktuell im Gebiet vorkommen oder früher vorkamen (in Klammern: Botanischer Name, Gefährdungsgrad in Brandenburg).

Oligotrophe Moore und Moorwälder
Im Gebiet aktuell vorkommend: Draht-Segge (Carex diandra, 2), Zweihäusige Segge (Carex dioica, 1), Schuppen-Segge (Carex lepidocarpa, 1), Armblütige Sumpfbinse (Eleocharis quinqueflora, 1), Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris, 2), Breitblättriges Wollgras (Eriophorum latifolium, 2), Sumpf-Kreuzblümchen (Polygala amarella, 1), Rundblättriges Wintergrün (Pyrola rotundifolia, 2), Sumpf-Dreizack (Triglochin palustre, 2)
Im Gebiet verschollen: Langblättriger Sonnentau (Drosera anglica, 1), Zierliches Wollgras (Eriophorum gracile, 1), Sumpf-Glanzorchis (Liparis loeselii, 1), Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris, 1), Echtes Fettkraut (Pinguicula vulgaris, 1), Moor-Steinbrech (Saxifraga hirculus, 0), Zwerg-Igelkolben (Sparganium minimum, 2)

Nass- und Feuchtwiesen auf Niedermoor
Im Gebiet aktuell vorkommend: Steifblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata, 2), Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis, 2), Pracht-Nelke (Dianthus superbus, 2), Großblütiger Augentrost (Euphrasia rostkoviana agg., 2), Stumpfblütige Binse (Juncus subnodulosus, 2), Helm-Knabenkraut (Orchis militaris, 2), Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris, 2), Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta, 2), Kümmel-Silge (Selinum carvifolia, 2), Färber-Scharte (Serratula tinctoria, 2)
Im Gebiet verschollen: Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea subsp. conopsea, 1, G. conopsea subsp. densiflora, 0), Öhrchen-Habichtskraut (Hieracium lactucella, 1), Preußisches Laserkraut (Laserpitium prutenicum, 1)

Trocken- und Halbtrockenrasen
Im Gebiet aktuell vorkommend: Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides, 3), Heilziest (Betonica officinalis, 2), Mond-Rautenfarn (Botrychium lunaria, 2), Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum, 3), Sand-Schwingel (Festuca psammophila, 3), Zierliches Schillergras (Koeleria macrantha, 3), Zwerg-Schneckenklee (Medicago minima, 3), Steppen-Lieschgras (Phleum phleoides, 3), Sand-Fingerkraut (Potentilla arenaria, 3), Rötliches Fingerkraut (Potentilla heptaphylla, 3), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis, 3), Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria, 3), Ohrlöffel-Leimkraut (Silene otites, 3), Aufrechter Ziest (Stachys recta, 3), Liegender Ehrenpreis (Veronica prostrata, 3), Ähren-Blauweiderich (Veronica spicata, 3)
Im Gebiet verschollen: Wiesen-Küchenschelle (Pulsatilla pratensis, 2)

Xerotherme Stauden- und Gehölzvegetation (thermophile Wälder)
Im Gebiet aktuell vorkommend: Blut-Storchschnabel (Geranium sanguineum, 3), Weidenblättriger Alant (Inula salicina, 2), Hirschwurz (Peucedamum cervaria, 3), Weiße Fingerkraut (Potentilla alba, 2), Elsbeere (Sorbus torminalis, 2), Kleine Wiesenraute (Thalictrum minus, 3), Purpur-Klee (Trifolium rubens, 1)
Im Gebiet verschollen: Großes Windröschen (Anemone sylvestris, 3), Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris, 0), Schwarzwerdende Platterbse (Lathyrus niger, R), Pechnelke (Lychnis viscaria, 2)

Mesophile Laubwälder
Im Gebiet aktuell vorkommend: Finger-Segge (Carex digitata), Hohler Lerchensporn (Corydalis cava, 3), Zwiebeltragende Zahnwurz (Dentaria bulbifera, R), Wald-Labkraut (Galium sylvaticum), Leber-Blümchen (Hepatica nobilis), Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus), Türkenbund-Lilie (Lilium martagon, 2), Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum, 3), Ausdauerndes Bingelkraut (Mercurialis perennis), Nestwurz (Neottia nidus-avis, 2), Wunder-Veilchen (Viola mirabilis, 3).

Weitere bemerkenswerte rezente Arten sind z. B. Braunes Zypergras (Cyperus fuscus, 3), Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata agg., 2) und Krebsschere (Stratiotes aloides, 2).

Die Gesamtartenliste wertete Schlüter (1954/55) unter arealkund­lichen Aspekten aus und erhielt als Ergebnis eine pflanzen­geographische Charakterisierung des Gebietes. Der größte Teil der Arten (über die Hälfte) hat ein ganz allgemein über Mitteleuropa hinaus­greifendes Areal. Bei den anderen Arten, die ein abweichendes Verbreitungs­bild aufweisen, überwiegt deutlich ein kontinentaler Einfluss. Die Gruppen der gemäßigt und der echt kontinentalen Arten sind etwa zu gleichen Teilen im Gebiet vertreten. Demgegenüber sind von den atlantisch verbreiteten Arten im Gebiet nur Arten mit subatlantischer Verbreitung vertreten. Die Übergangs­stellung zwischen dem kontinentalen und atlantischen Klima­bereich ist im Gebiet floristisch gut ausgeprägt. Aufgrund der nassen Standorte sind außerdem nordische Arten im Gebiet stark vertreten (insbesondere als Leitpflanzen für Flachmoor­wiesen). Der Anteil mediterraner Arten ist vor allem auf die menschlichen Einflüsse zurück­zuführen.

Die Auswertung der Verteilung der Arten nach ihrer Einwanderungs­zeit in Mittel­brandenburg (Meissner 1993) ergab, dass insgesamt 557 indigene Arten, 95 Archäophyten und 95 Neophyten im Untersuchungs­gebiet beobachtet wurden. Es ist eine Abnahme des Anteiles indigener Arten (um 1950: 79,9 %; um 1990: 73,2 %) und eine Zunahme des Anteiles hemerocher Arten am Arten­bestand festzustellen. Eine der bemerkens­wertesten hemerochoren Arten ist das Hain-Felsenblümchen (Draba nemorosa), das 1977 in den Lange-Damm-Wiesen als Erstnachweis für die DDR beobachtet wurde und heute im Gebiet etabliert ist (vgl. Klemm & Stohr 1996).

Im nördlich und südlich an die Lange-Damm-Wiesen und das Untere Annatal anschließenden Bereich, der für die künftige Erweiterung des Naturschutz­gebietes vorgesehen ist, konnten in den letzten Jahren zahlreiche weitere gefährdete Arten nach­gewiesen werden (entweder als Bestätigung historischer Angaben oder als Neufunde). An dieser Stelle kann nur eine kleine Auswahl sehr bemerkens­werter Arten genannt werden: Stumpf­zähniger Frauenmantel (Alchemilla subcrenata, 2), Ästiger Rautenfarn (Botrychium matricariifolium), Rotes Waldvögelein (Cephalanthera rubra, 2), Braunroter Sitter (Epipactis atrorubens, R), Wiesen-Schachtelhalm (Equisetum pratense, R) und Trollblume (Trollius europaeus, 1). Zum Teil kommen in den Erweiterungs­flächen auch Arten vor, die früher für die Lange-Damm-Wiesen und das Untere Annatal angegeben wurden, in den letzten zehn Jahren dort aber nicht mehr gefunden wurden, z. B. Ästige Graslilie (Anthericum ramosum, 3), Wald-Ruhrkraut (Gnaphalium sylvaticum), Gemeiner Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) und Sanikel (Sanicula europaea).

Vegetation

Mit zahlreichen Vegetationsaufnahmen und einer  Vegetationskarte  dokumentierte Schlüter (1955a) den vegetationsökologischen Zustand des Gebietes „Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal” um 1950. Er konnte insgesamt 38 Vegetations­einheiten unterscheiden, und zwar 14 Wald- und Gebüsch­gesellschaften, 13 Wiesen­gesellschaften, 5 Wasser- und Verlandungs­gesellschaften, 2 Schlamm- und 1 Trittpflanzen­gesellschaft sowie 3 Trockenrasen. Dabei ging es vor allem um die Erfassung und Kennzeichnung der realen, kartierbaren Vegetations­formen und weniger um syntaxonomisch-nomenklatorische Fragen. Im einzelnen wurden folgende Vegetations­einheiten um 1950 nachgewiesen:

In einem Diagramm zeigt Schlüter (1955a) die Zusammenhänge zwischen den Pflanzen­gesellschaften, den Standort­verhältnissen (Feuchtegrad und Kontinentalität) und dem menschlichen Einfluss sowie mögliche natürliche bzw. menschlich beeinflusste Entwicklungs­tendenzen auf. Ausgehend von den Wasser- und Verlandungs­gesellschaften wird vom Nassen zum Trockenen die Abfolge der im Gebiet „Lange-Damm-Wiesen und Unteres Annatal” angetroffenen Pflanzen­gesellschaften in zwei parallelen Reihen, auf der einen Seite die natürlichen Wald­gesellschaften, auf der anderen deren menschlich bedingten Ersatz­gesellschaften (Wiesen­gesellschaften), bis zu den Trockenrasen aufgeführt.

Vor dem Hintergrund erheblicher Vegetations­veränderungen in den Wiesen­bereichen, bedingt durch Änderung bzw. Aufgabe der landwirt­schaftlichen Nutzung, kartierte und verglich Meissner (1992, 1993) die Anfang der 1990er Jahre in den Lange-Damm-Wiesen vorhandenen Wiesen­gesellschaften und die nach Nutzungs­aufgabe entstandenen Folge­gesellschaften mit den Anfang der 50er Jahre kartierten Gesellschaften.

Anfang der 50er Jahre wurde nahezu die gesamte Niederung der Lange-Damm-Wiesen als Mähwiese genutzt. Die in den Jahren 1990-1992 mindestens einmal gemähten Wiesen umfassten nur noch knapp ca. 10-15 % der vierzig Jahre zuvor genutzten Flächen. Eine Übersicht über die Veränderung der Flächen­anteile einzelner Vegetations­typen im Bereich der Lange-Damm-Wiesen zwischen 1955 und 1992 gibt folgende Tabelle (Meissner 1992):

 

 
 
Gesamtfläche
Vergleichsfläche
1955
ha
334
213
1992
ha
229
229
±(Abs.)
ha
±(Proz.)
%
Wiesen:
„Natürliche” Wiesenges.
(Kleinseggenrasen u. Pfeifengraswiese)
Kohldistelwiese
Glatthaferwiese
Trockenwiese
sonstige Wiesen
Weide
 
14,9
 
119,2
21,9
1,4
.
.
 
0,2
 
13,7
13,5
0,8
0,3
2,1
 
-14,7
 
-105,5
-8,4
-0,6
+0,3
+2,1
 
-98,7
 
-88,5
-38,4
-42,9
neu
neu
Brachen:
Molinietalia-Bracheges.
Großseggen-/Röhricht-Bestände
Nitrophile Dominanzbestände
Trockenwiesenbrache
 
.
4,6
.
.
 
11,6
65,6
23,3
4,6
 
+11,6
+61,0
+23,3
+4,6
 
neu
+1326,1
neu
neu
Wälder:
geschlossenes Flachmoorbebüsch
Grundwassernahe Laubmischwälder
Mesophile u. thermophile Wälder
 
2,9
4,3
20,1
 
14,9
29,3
28,4
 
+12,0
+35,0
+8,3
 
+413,8
+814,0
+41,3
Weitere:
Trockenrasen
Garten- u. Ackerland
 
2,4
13,2
 
4,9
3,9
 
+2,5
-9,3
 
+104,2
-70,5

 

Kleinseggenrasen und Pfeifengraswiesen, aber auch Trocken­wiesen sind nach Nutzungs­aufgabe fast vollständig verschwunden, so dass nur noch in Ausnahme­fällen einzelne Vegetations­aufnahmen notiert werden konnten, die den historischen Gesellschaften entsprechen. Von besonderer Bedeutung für den Naturschutz, insbesondere für den Arten­schutz, ist ein Kleinseggen­rasen im Gebiet, der seit Ende der 80er Jahre von G. Haase gepflegt wird. In der Nähe historischer Aufnahmen wurde 1991 in dem einmal im Jahr mit der Sense gemähten Kleinseggen­rasen eine Aufnahme notiert, die in ihrer Artenzusammen­setzung große Überein­stimmung mit den von Schlüter als Schoenetum-Fragment kartierten Kleinseggen­rasen zeigt. So waren z. B. Armblütige Sumpfbinse (Eleocharis quinqueflora), Schuppen-Segge (Carex lepidocarpa), Wiesen-Segge (C. nigra), Hirse-Segge (C. panicea), Sumpf-Dreizack (Triglochin palustre), Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris) und Breitblättriges Wollgras (Eriophorum latifolium) in dem Kleinseggenrasen vertreten. In der Zwischenzeit ist die Pflege ausgeweitet worden und es konnten als weitere Besonderheiten dort Zweihäusige Segge (Carex dioica), Sumpf-Kreuzblümchen (Polygala amarella) und Draht-Segge (Carex diandra) nachgewiesen werden.

Kohldistelwiesen und Glatthaferwiesen sind mit leicht veränderter Artenzusammen­setzung im Gebiet weiterhin anzutreffen. Jedoch sind die Sub­assoziationen der Kohldistel­wiese aufgrund des gemeinsamen Auftretens von Trennarten nicht mehr so eindeutig zu differenzieren wie vierzig Jahre zuvor. Beispiels­weise kamen die Sumpf-Segge (Carex acutiformis) als Trennart für die Großseggen-Subassoziation und das Wiesen-Labkraut (Galium mollugo agg.) als Trennart für die Dactylis glomerata-Subass. Anfang 90er Jahre mit einer Stetigkeit von ca. 90 % in den Aufnahmen der Kohldistel­wiesen vor. Ebenso erhöhten sich die Stetigkeiten bei weiteren Trennarten, so dass die von Schlüter beschriebenen Subassoziationen nur noch kleinflächig vorhanden waren, während eine Durchdringungs­gesellschaft der Seggen- und der Dactylis-Subass. die größte Fläche der gemähten Kohldistel­wiesen einnahm. Des weiteren wurde z. B. die Zunahme von Kennarten des Filipendulion, der Stickstoff-Krautfluren, der Flutrasen und Feuchtweiden sowie von soziologisch nicht einzuordnenden Arten in den Kohldistel­wiesen beobachtet.

Im Gegensatz zu 1952 beschränken sich 1992 die Glatthafer­wiesen nicht mehr auf die nicht­moorigen Wiesenränder, sondern sind auch auf stärker entwässertem Moorboden zu finden. Die Vegetations-Aufnahmen, die im Bereich historischer Aufnahmen notiert wurden, konnten aber noch den gleichen Varianten der Glatthafer­wiese zugeordnet werden. Allgemein sind die im Gebiet vorhandenen Glatthafer­wiesen relativ arm an Charakter­arten, Goldhafer (Trisetum flavescens), Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Gänseblümchen (Bellis perennis) und Wiesen-Glockenblume (Campanula patula) sind nur stellenweise zu finden. Markant ist, dass die namensgebende Art Glatthafer (Arrhenatherum elatius) im Vergleich zu 1952 mit höherer Deckung in den Glatthafer­wiesen auftritt (Deckungs­grade 1952: 1-2, 1992: 3-4).

Die Trockenwiesen wurden schon von Schlüter relativ selten angetroffen. 1992 wurde eine Trocken­wiese aufgenommen, die der von Schlüter beschriebenen Galium boreale-Dactylis glomerata-Trocken­wiese entspricht. Diese Aufnahme zeichnet sich mit 51 Arten auf nur 25 m² durch ihren Arten­reichtum aus. Die Arten­zusammen­setzung ist wie in den Aufnahmen von Schlüter durch einen hohen Anteil an Charakter­arten der Festuco-Brometea gekenn­zeichnet. Daneben kommen Arten der Glatthafer­wiesen sowie Sedo-Scleranthetea-Arten vor.

Einzelne Bestände der Mähwiesen sind aufgrund ihrer veränderten Arten­zusammen­setzung infolge von Intensivierungs­maßnahmen weder der Kohldistel­wiese noch der Glatthafer­wiese zuzuordnen. Es handelt sich um einen Phleum pratense-Phalaris arundinacea-Bestand und um einen Agrostisstolonifera-Bestand.

In den brachliegenden Bereichen der ehemaligen Feucht- und Nass­wiesen wurden Anfang der 90er Jahre teilweise Bestände beobachtet, die trotz jahrzehnte­langer Brache­dauer (z. T. seit Ende der 1950er, z. T. seit Mitte der 1970er Jahre) noch die Arten­zusammen­setzung der gemähten Wiesen­gesellschaften erkennen lassen (insbesondere brach­liegende Molinietalia-Gesellschaften). Großflächig waren im Gebiet aber als Brache­vegetation Großseggen-/Röhricht-Bestände zu finden, die zum Teil noch relativ viele typische Wiesenarten enthielten, aber z. T. auch sehr artenarm sein konnten oder einen hohen Anteil an nitrophilen Arten aufwiesen. Als dominierende Arten spielten haupt­sächlich die Sumpf-Segge (Carex acutiformis) und das Gemeine Schilf (Phragmites australis) ein Rolle. Außerdem wurden vor allem auf deutlich entwässerten Niedermoor­standorten Bestände als nitrophile Dominanz­bestände kartiert, die von einer dominierenden Art, insbesondere Glatthafer (Arrhenatherum elatius) oder Rohr-Glanzgras (Phalarisarundinacea), bestimmt werden und in denen daneben haupt­sächlich Arten der Stickstoff-Krautfluren vorkommen, z. B. Brennessel (Urtica dioica), Kletten-Labkraut (Galium aparine) und Gundermann (Glechoma hederacea).

Brachliegende Glatthaferwiesen konnten nur stellen­weise und mit einer sehr kurzen Brache­dauer kartiert werden, so dass diese Bestände überwiegend noch die Arten­zusammen­setzung der Glatthafer­wiesen hatten. Bemerkens­wert ist die beginnende Ausbreitung von Kanadischer Goldrute (Solidago canadensis) in diesen Beständen, die besonders im Spätsommer mit kleinen Trupps auffiel.

In den brachliegenden Trockenwiesen traten Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos) und Fieder-Zwenke (Brachypodiumpinnatum) mit hoher Deckung auf, die Arten­zusammen­setzung der Galium boreale-Dactylis glomerata-Trockenwiese ist nur noch fragmentarisch zu erkennen. Insgesamt ist der Anteil an Festuco-Brometea-Arten in den Trockenwiesen­brachen sehr gering.

Am weitesten fortgeschrittene Sukzessionsstadien im Bereich ehemaliger Wiesen sind neben Gebüsch­stadien (vor allem Weiden-Gebüsche) auch schon Vorwald­stadien. Es handelt sich im wesent­lichen um Sumpfseggen-Erlenbruch, stellen­weise mit erheblichen Anteilen der Moor-Birke. Auf eher wechsel­feuchten bzw. frischen Standorten haben sich von den Talrändern bzw. von den Hügeln her Zitterpappel-Bestände in die ehemaligen Wiesen aus­gebreitet. Die Gebüsche und Vorwald­stadien haben sich überwiegend in sehr schmalen Tal­abschnitten und in Bereichen ausgebreitet, in denen Schlüter bereits einzelne Flachmoor­gebüsche in der Vegetations­karte verzeichnete, z. B. am Stienitz-See auf ehemaligem Seegrund. Die Entwicklung von Gebüschen in den großflächigen, überwiegend gehölzfreien Brachen geht nur langsam voran. Es war aber zu erkennen, dass insbesondere Gräben­ränder und ehemalige Überfahrten über Gräben von Gebüschen bestanden sind und Ausgangs­punkte für die weitere Ausbreitung der Gehölze in die Wiesen­brachen darstellen können.

Die Auswertung der Artenzahlen, des Anteiles von Arten unter­schiedlichen soziologischen Verhaltens sowie der Feuchte- und Stickstoff-Zeigerwert­spektren für die großflächig vorkommenden und durch zahlreiche Aufnahmen belegten Wiesen-Gesellschaften deutet auf eine mäßige Intensivierung in den um 1993 genutzten Wiesen hin und verdeutlicht die zum Teil gravierenden Veränderungen in den Folge­gesellschaften. Der Vergleich der historischen Vegetations­karte mit der Vegetations­typenkarte von 1992 zeigt das flächige Ausmaß der Vegetations­veränderungen (s. o.).

Drei verschiedene Trockenrasen-Gesellschaften wurden von Schlüter (1955a) im Untersuchungs­gebiet beobachtet, die entweder an Hängen der Hügel sowie der Grund­moränen­platte oder in ebenen Beständen auf grob­sandigen, durch­lässigen Böden vorkamen. Eine Gesellschaft stellte er zur Ordnung Brometalia erecti (Salvia pratensis-Stachys recta-Gesellschaft), die anderen beiden zur Ordnung Festuco-Sedetalia (Festuca ovina-Silene otites-Ass. und Festuca-Sedum boloniense-Gesellschaft).

Die „Hangsteppe” am Südhang von Hügel I zeichnete sich aus durch das Vorkommen zahl­reicher Festuco-Brometea-Arten, z. B. Wiesen-Küchenschelle (Pulsatilla pratensis), Aufrechter Ziest (Stachys recta) und Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), sowie einiger „Steppenwaldarten”, z. B. Weißer Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria) und Berg-Haarstrang (Peucedanum oreoselinum). Durch Eingriffe in das „schwarzerde­ähnliche” Bodenprofil wurde das Eindringen von Ruderalarten und Gehölzen begünstigt, so dass Anfang der 80er Jahre der Hang mit Glatthafer (Arrhenatherum elatius) und Wehrloser Trespe (Bromus inermis) vergrast war und zahlreiche Trocken­rasen­arten nicht oder nur noch spärlich zu finden waren (Schlüter 1992). Nach Pflege­arbeiten konnte sich die Hang­steppen­vegetation wieder etwas erholen. Nahezu sämtliche von Schlüter (1955a) genannten Kennarten waren 1991 wieder in Vegetations­aufnahmen vertreten, nur Wiesen-Küchenschelle (Pulsatilla pratensis), die zuletzt 1972 beobachtet wurde, bleibt an diesem Fundort verschollen (Meissner 1993). Einige Festuco-Brometea-Arten traten sogar wieder mit ähnlicher Deckung wie um 1950 auf, z. B. Ähren-Blauweiderich (Veronica spicata) und Steppen-Lieschgras (Phleum phleoides). Von der Ruderalisierung zeugt u. a. Frühlings-Greiskraut (Senecio vernalis), welches in den Frühjahren Ende der 80er und Anfang der 90er den gesamten Hang gelb färbte. Auch Wehrlose Trespe (Bromus inermis) und Gemeines Knäuelgras (Dactylis glomerata), die in den Aufnahmen von Schlüter (1955a) nicht vorkommen, konnten sich trotz Pflege auf dem Hang halten. Die bei Pflege­arbeiten entfernten Gehölze treiben wieder aus, so dass 1991 im Gegensatz zu 1955 zahlreicher Gehölz­jungwuchs in den Aufnahmen vorhanden ist. Daher erscheinen weiterhin Pflege­arbeiten zur Erhaltung der besonderen Vegetation dieser „Hangsteppe” erforderlich.

Die Festuca ovina-Silene otites-Assoziation fand Schlüter an einem Westhang der Barnim-Platte auf leicht bindigem Boden. Da in dem Bestand auch der Mond-Rautenfarn (Botrychium lunaria) wuchs, wurde dieser Hang von Schlüter als „Botrychium-Hang” bezeichnet. Als Kennarten dieser Gesellschaft nennt Schlüter noch Ohrlöffel-Leimkraut (Silene otites), Zierliche Schillergras (Koeleria macrantha) und Zwerg-Schneckenklee (Medicago minima). Einen auffallenden Hochsommer­aspekt erhält dieser Trocken­rasen u. a. durch die Arten Ähren-Blauweiderich (Veronica spicata), Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum), Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria), Kleine Pimpinelle (Pimpinella saxifraga) und Sand-Strohblume (Helichrysum arenarium). Insgesamt ist diese Gesellschaft identisch mit dem Sileno-Festucetum LIBB. 33. Anfang der 90er Jahre war der obere und untere Teil des Hanges mit Kiefern bestanden und nur noch ein kleiner Bereich am mittleren Hang gehölzfrei. Außerdem wurde der Trocken­rasen durch den Bau einer Gasleitung und wildes Moto-Cross-Fahren stark beeinträchtigt und zerstückelt. So war der ehemalige Trockenrasentyp nur noch kleinflächig anzutreffen, während auf sehr stark gestörten Flächen offener Sand ohne Vegetation und in den anderen stark gestörten Bereichen verschiedenste ruderalisierte Initial­stadien von Sandtrocken­rasen zu finden waren. Meissner (1993) notierte Wiederholungs­aufnahmen sowohl am offenen Hang als auch in lichten Kiefer­beständen in möglichst wenig gestörten Bereichen. In sämtlichen Aufnahmen ist Ohrlöffel-Leimkraut (Silene otites) vorhanden, die Kennarten Zierliches Schillergras (Koeleria macrantha) und Zwerg-Schneckenklee (Medicago minima) waren nur noch am offenen Mittelhang zu finden. Der Mond-Rautenfarn (Botrychium lunaria) ist am gesamten Hang, auch außerhalb der Aufnahme­flächen nicht mehr gefunden wurden. Im wesent­lichen entspricht die Aufnahme am offenen Mittelhang der von Schlüter beschriebenen Gesellschaft. In den beschatteten Bereichen sind zahlreiche Trocken­rasen­arten noch zu finden, aber in ihrer Vitalität beein­trächtigt.

Die Festuca-Sedum boloniense (= S. sexangulare)-Gesellschaft wurde um 1950 an Sekundär­standorten als Pionier­gesellschaft auf nährstoff­reichen, gröberen Sanden kartiert. Die großen Bestände südlich von Torfhaus sind heute größten­teils mit Zitter-Pappel (Populus tremula) wieder­bewaldet. Meissner nahm zwei Bestände auf, die in ihrer Arten­zusammen­setzung den historischen Aufnahmen ähneln. Als weitere trockene Pionier­gesellschaften der Sandtrocken­rasen kamen um 1990 Festuca trachyphylla-Bestände im Bereich der ehemaligen „Ackerinsel” vor, die sich nach Beendigung der Acker­nutzung bei gelegent­licher Schaf­beweidung entwickelt haben. In der ehemaligen Kiesgrube südlich der Bahn wurden Silbergras-Rasen (Spergulo-Corynephoretum) kartiert.

Neben den Wiesen und ihren Folge­gesellschaften sowie den Trocken­rasen nehmen im Gebiet der Lange-Damm-Wiesen und des unteren Annatales die Wälder den größten Flächen­anteil ein. Wie die Wiesen fallen die Wälder besonders durch ihren Arten­reichtum und das Vorkommen seltener Arten auf. Insbesondere der Frühlings­aspekt ist durch das Vorkommen von Leberblümchen (Hepatica nobilis), Busch-Windröschen (Anemone nemorosa), Gelbes Windröschen (A. ranunculoides) sowie weiterer Frühjahrs­blüher sehr reizvoll. Die Flora der Wälder wurde Anfang der 90er Jahre kartiert, jedoch steht eine erneute vegetations­kundliche Bearbeitung, die die heutigen Bestände mit den von Schlüter (1955a) beschriebenen 14 Wald- und Gebüsch­gesellschaften vergleicht, noch aus. Eine der offensicht­lichsten Veränderungen in den Wäldern ist das starke Auftreten von Kleinblütigem Springkraut (Impatiens parviflora) in nahezu sämtlichen Wald­gesellschaften, während die Art vor vierzig Jahren nur sehr spärlich gefunden wurde. Außerdem berichtet Schlüter (1992) über eine Ruderalisierung der Bodenflora in den Wäldern der Hügel. Neben Kleinblütigem Springkraut (Impatiens parviflora) haben sich dort Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), Kletten-Labkraut (Galium aparine), Gemeiner Klettenkerbel (Torilis japonica), Schöllkraut (Chelidonium majus) und weitere nitrophile Arten ausgebreitet. Teilweise haben die Vegetations­veränderungen in den Wäldern bereits zu Arten­verlusten geführt.

Weitere Pflanzengesellschaften, die Schlüter vor vierzig Jahren beschrieben und in der Vegetations­karte verzeichnet hat, sind Wasser- und Verlandungs­gesellschaften sowie Schlamm- und Tritt­pflanzen­gesellschaften. Von den Wasser- und Verlandungs­gesellschaften ist insbesondere eine „Froschbiß-Krebsscheren-Gesellschaft” in einem ehemaligen Torfstich südostlich von Torfhaus erwähnenswert, die in den letzten vierzig Jahren durch den Rückgang von Krebsschere (Stratiotes aloides) zu einem Fragment des Myriophyllo-Nupharetum in einer Stratiotes-Variante geworden ist (Schlüter 1992). Ebenfalls ein Rückgang ist beim Bachröhricht zu verzeichnen; kartierte Schlüter (1955a) noch Massen­bestände von Brunnenkresse (Nasturtium microphyllum), die sich in den Gräben im Frühsommer als weißes Band durch die Wiesen zogen, so sind heute nur noch ganz vereinzelt Bestände der Brunnenkresse zu finden (Schlüter 1992).

In den fünfziger Jahren wurden die Zweizahn-Gesellschaft im wesent­lichen im ehemaligen Karpfen­teich nördlich der Bahn zwischen den Osern beobachtet. Heute ist dieser Teich vollkommen mit Weiden­gebüsch zugewachsen. Zweizahn-Fluren sind nun dagegen am Mühlteich der Neuen Mühle im Annatal zu finden.

Aufgrund des menschlichen Einflusses kommt heute eine Reihe von ruderalen Pflanzen­gesellschaften im Gebiet vor. So sind in den Riesel­becken an der Kläranlage westlich von Torfhaus ausgedehnte Urtica dioica- sowie Agropyron repens-Dominanzbestände zu beobachten, aber auch Bestände mit Hühner-Hirse (Echinochloa crus-galli), Kanadischem Berufkraut (Conyza canadensis) und Lösels-Rauke (Sisymbrium loeselii). Als weitere Fundorte ruderaler Pflanzen­gesellschaften sind der Bahndamm und Müll-/Bauschutt­ablagerungen zu nennen. Beispiels­weise wurden Teile der großen Sandgrube südlich der Bahn verfüllt, und auf diesen Auf­schüttungen stocken nun Robinien-Bestände.

 

Justus Meißner